<p class="article-intro">Auf der 21<sup>st</sup> International AIDS Conference, die dieses Jahr in Durban stattfand, wurde wieder auf das globale Ausmaß der HIV-Epidemie aufmerksam gemacht. Auch das Motto des Kongresses „Access Equity Rights Now“ spiegelte die Bedeutung des fortwährenden politischen und finanziellen Commitments zur weltweiten Behandlung und Prävention von HIV-Infektionen wider, um ein Ende der Epidemie in den nächsten Jahrzehnten realisierbar zu machen.</p>
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<p class="article-content"><p><img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Jatros_Infekt_1603_Weblinks_seite21.jpg" alt="" width="371" height="518" /></p> <p>Die Konferenz zeigte sehr beeindruckend, welche Fortschritte in dieser Richtung erzielt wurden, vor allem in den Ländern Afrikas, wo bereits 14 Mio. Menschen antiretroviral behandelt werden. Aber vom deklarierten Ziel der Vereinten Nationen (UNAIDS), bis 2020 90 % der Infizierten zu diagnostizieren, 90 % der Diagnostizierten zu behandeln und bei 90 % der Behandelten eine Viruslast unter der Nachweisgrenze zu erreichen, ist man in vielen Ländern noch weit entfernt. So erhält zwar weltweit bereits beinahe die Hälfte aller HIV-Infizierten eine antiretrovirale Therapie (ART), doch die Suppressionsraten lassen mancherorts zu wünschen übrig.</p> <h2>Präexpositionsprophylaxe (PrEP)</h2> <p>Selbst in den USA ist nur etwa ein Drittel der HIV-Infizierten erfolgreich behandelt. Obwohl eine Behandlung eine Weitergabe von HIV höchst erfolgreich verhindern kann, kommt es weltweit weiterhin jährlich zu über 2 Mio. Neuansteckungen. Dementsprechend war das Interesse an den zahlreichen Studien zur Verhinderung von Neuansteckungen und der sogenannten Präexpositionsprophylaxe groß.<br /> <br /> So kann man sich aufgrund der zunehmenden Datendichte mittlerweile ziemlich sicher sein, dass es bei serodiskordanten Partnern, die ungeschützten Sex haben, zu keiner Übertragung von HIV auf den negativen Partner kommt, wenn der positive Partner erfolgreich behandelt wird. Auch die neuen Daten aus der multizen­trischen Partnerstudie mit fast 900 Paaren (davon 40 % homosexuell), die bisher im Durchschnitt über 1,6 Jahre verfolgt wurden, belegen dies: Es kam zu keiner HIV-Transmission innerhalb der Paare. An dieser Studie sind auch österreichische HIV-Zentren beteiligt.<br /> <br /> Die IPERGAY-Studie verglich „on demand“ Tenofovir/Emtricitabine (Truvada) vs. Placebo kurz vor bzw. nach dem Sex unter homo-/bisexuellen Männern (MSM) und zeigte auch in der „open-label“-Verlängerung eine 35-fache Reduktion von Neuansteckungen unter denjenigen Männern, die die PrEP auch tatsächlich eingenommen hatten. Im Schnitt wurden 18 Truvada-Tabletten pro Monat eingenommen. Eine intermittierende PrEP war aber nur bei etwa einem Viertel der in Frage kommenden MSM eine Option, der Rest bevorzugte eine kontinuierliche Gabe. Eine kontinuierliche PrEP ist bei den derzeitigen Marktpreisen dieses Medikaments hierzulande wohl noch keine echte Option. In Amerika, wo manche Krankenkassen eine PrEP bezahlen, nimmt sowohl die Zahl der Patienten, die PrEP einnehmen, als auch die Zahl der verschreibenden Ärzte stetig zu.<br /> Als weitere PrEP-Optionen sind vor allem lang wirksames injizierbares Cabotegravir und Rilpivirin interessant, erste Untersuchungen sprechen für eine gute Verträglichkeit, Wirksamkeitsdaten fehlen noch.<br /> PrEP wird zukünftig wohl auch eine wichtige Rolle für Risikopopulationen in Hoch-Endemieländern spielen: In Afrika finden sich die höchsten Infektionsraten bei adoleszenten Mädchen, die oft wenig Möglichkeiten einer selbstbestimmten Prävention haben. So definierte die WHO den Zugang zur PrEP als eine Priorität und erarbeitet nun Guidelines zur Implementation.</p> <h2>Frühe Behandlung von Risikopatienten</h2> <p>Eine Subgruppenanalyse der START-Studie, die die Grundlage für den heute empfohlenen sofortigen Therapiestart unabhängig von der CD4-Zellzahl ist, zeigte vor allem einen Vorteil der frühen Behandlung bei Patienten über 50 Jahren, mit hoher Viruslast (>50.000cp/ml) und einer relativ niedrigen CD4/CD8-Ratio von <0,5. Diese Patienten sollten mit Prio­rität behandelt werden.</p> <h2>ART-Strategien</h2> <p><strong>LATTE-2-Studie</strong><br /> Auch zu antiretroviralen Therapiestrategien wurden einige Daten präsentiert. Die 48-Wochen-Daten der LATTE-2-Studie belegen ein hervorragendes virologisches Ansprechen der Infektion auf Cabotegravir und Rilpivirin alle 4 und 8 Wochen. In der 8-Wochen-Gruppe zeigte sich jedoch eine etwas höhere Rate von Resistenzen, weswegen die Strategie der Injektion alle 4 Wochen weiterverfolgt wird.<br /> <br /><strong> ARIA-Studie</strong><br /> In einer der größten nur an HIV-positiven Frauen durchgeführten HIV-Therapiestudien, der ARIA-Studie, wurde die Kombination von Abacavir/Lamivudin/Dolutegravir mit Tenofovir/Emtricitabine/geboos­tertem Atazanavir verglichen. Nach 48 Wochen zeigte sich eine Überlegenheit für die Dolutegravir-Gruppe, hauptsächlich aufgrund von Therapiebeendigungen in der Atazanavir-Gruppe aufgrund von Nebenwirkungen.<br /> <br /><strong> PADDLE-2-Studie</strong><br /> Eine interessante „proof of concept“-Studie ist die PADDLE-2-Studie, die die duale Therapie mit Dolutegravir und Lamivudin bei therapienaiven Patienten untersuchte. Obwohl hohe Viruslasten zu Baseline ein Ausschlusskriterium waren, hatten doch 3 der insgesamt 20 Patienten eine Viruslast >100.000cp/ml. Alle Patienten waren bereits zu Woche 3 <400cp/ml, 90 % der Patienten hatten eine vollständig supprimierte Viruslast zu Woche 48. Eine größere Studie mit mehr Patienten ist in Planung.<br /> <br /> <strong>ONCEMRK-Studie</strong><br /> In der ONCEMRK-Studie wurde die Einmalgabe von 1.200mg Raltegravir mit der bisher zugelassenen Dosis von 400mg 2x täglich jeweils in Kombination mit Truvada verglichen. In beiden Armen zeigte sich eine ausgezeichnete Wirksamkeit von 88 % nach 48 Wochen, wobei es bei Versagern in der „once daily“-Gruppe zu einem vermehrten Auftreten von Resistenzen kam.</p> <h2>Ist Heilung in Sicht?</h2> <p>Die Suche nach einer Heilungsstrategie bleibt weiterhin ein Forschungsschwerpunkt. Zielgruppe bei Untersuchungen sind zum Beispiel Patienten mit einer frischen HIV-Infektion. Durch sehr frühe Behandlung sollte die anfangs üblicherweise sehr hohe Virämie abgefangen und das Reservoir von latent infizierten Zellen klein gehalten werden. Möglicherweise kann dann nach einigen Jahren auch nach Absetzen der Therapie eine Virussuppression (funktionelle Heilung) erreicht werden. Auffallend war, dass manche dieser sehr früh behandelten Probanden keine HIV-Antikörper gebildet haben.<br /> Es ist zu erwarten, dass eine Heilung letztlich nur durch eine Kombination von Interventionen erreicht werden kann: Die große Herausforderung ist das schwer angreifbare latente Virusreservoir. Es wurden Studien mit 2 oder 3 Substanzen in Kombination zum „Herauslocken“ der Viren vorgestellt (z.B. VHM-Kombination, bestehend aus Vorinostat, Hydroxychloroquin und Maraviroc), der geringe Erfolg dieser Strategien war jedoch zumeist enttäuschend. Präsentiert wurden auch Ansätze mit Infusionen von breit neutralisierenden Antikörpern, die vielleicht eine Virussuppression ohne konventionelle HIV-Therapie zumindest über eine Weile ermöglichen könnten.<br /> <br /> Und natürlich wurden auch experimentelle Daten zu genetischen Manipulationen vorgestellt. Die „Genschere“ CRISPR/Cas9 kann Virus-DNA aus infizierten Zellen entfernen, allerdings nicht langfristig. Eine Arbeitsgruppe aus Utrecht konnte durch die Kombination von verschiedenen „Genscheren“ eine prolongierte Wirksamkeit erreichen (in vitro). Das Gebiet bleibt spannend und die Hoffnung auf einen Durchbruch aufrecht.<br /> <br /> Auch die Hoffnung auf eine Impfung wurde in Durban weitergetragen: In einer Pilotstudie in Südafrika (HVTN 100) stimulierte ein neuer Impfstoff (weiterentwickelt vom RV144-Impfstoff von 2009, der in Thailand eine geringe Schutzwirkung gezeigt hatte) Antikörper in allen 252 Probanden und eine T-Zell-Antwort in über 50 % , sodass ab November 2016 die Rekrutierung für eine große klinische Effizienzstudie beginnt (HVTN 702). Ergebnisse werden allerdings erst in 4 Jahren vorliegen.</p> <h2>HIV und Tuberkulose</h2> <p>Ein HIV-Kongress in Afrika ist ohne das Thema HIV und Tuberkulose (TB) nicht denkbar. Leider gibt es auf dem Gebiet der Tuberkulose wenige Erfolgsnachrichten. Die vorgestellten epidemiologischen Daten waren erschreckend, 4.400 Menschen sterben weltweit täglich an TB, dabei bleibt in fast 50 % der Koinfizierten die TB zum Zeitpunkt des Todes unerkannt. Es gibt wenig Geld und wenig Priorität für die TB-Forschung, und der „Global Plan to end TB“ wird seine Zielvorgaben nicht erreichen können (man bräuchte dazu 13 Mrd. USD jährlich bis 2030). Eine Petition an die Regierungen der Welt, Forschungsaktivitäten zur TB zu intensivieren, wurde bei der Konferenz zirkuliert. Angesichts der großartigen Erfolge im Kampf gegen HIV waren die Tuberkulose-Workshops in Durban sehr ernüchternd und stellten klar, wie viel es noch zu tun gibt!</p></p>
<p class="article-quelle">Quelle: 4. Medizinische Abteilung mit
Infektions- und Tropenmedizin<br>
SMZ Süd – Kaiser-Franz-Josef-Spital, Wien<br>
E-Mail: alexander.zoufaly@wienkav.at<br>
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Quelle:
21<sup>st</sup> International AIDS Conference (AIDS 2016), Durban,
18.–22. Juli 2016
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