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Glioblastoma multiforme – therapeutisches Goal für Immuntherapie?

<p class="article-intro">Beim ASCO Annual Meeting 2016 wurden sowohl interessante Daten zur hypofraktionierten Strahlentherapie bei älteren neu diagnostizierten Glioblastompatienten in Kombination mit Chemotherapie als auch die erste Interimsanalyse der CATNON-Studie vorgestellt. Darin konnte für die 1p19q-intakten anaplastischen Gliome der Nutzen einer additiven Temozolomid-Gabe nach einer Strahlentherapie belegt werden. Eine der wichtigsten Fragen, die es in naher Zukunft zu klären gilt, ist für Assoc. Univ.-Prof. Dr. Matthias Preusser, MedUni Wien, ob bzw. inwieweit die Immuntherapie sich beim Glioblastom wirksam erweisen wird.</p> <hr /> <p class="article-content"><p><strong>Die Therapie des neu diagnostizierten Glioblastoms mit zus&auml;tzlicher Chemotherapie zur Radiotherapie wird derzeit diskutiert. Gab es hierzu neue Erkenntnisse beim ASCO Annual Meeting 2016?</strong><br /><br /> <strong>M. Preusser:</strong> In der Plenary Session wurde eine kanadische Studie von James R. Perry et al<sup>1</sup> pr&auml;sentiert, bei der eine hypofraktionierte Strahlentherapie bei &auml;lteren Glioblastompatienten (&uuml;ber 65 Jahre) &uuml;ber drei Wochen entweder alleine oder in Kombination mit einer Chemotherapie gegeben wurde. Diese Frage war noch offen, da die Stupp-Studie, die vor zehn Jahren ebenfalls in der Plenary Session am ASCO pr&auml;sentiert worden war<sup>2</sup> und aufgrund derer die Radiochemotherapie als Erstlinienbehandlung beim neu diagnostizierten Glioblastom etabliert wurde, nur Patienten bis 70 Jahre eingeschlossen hat und davon nur sehr wenige &uuml;ber 65 Jahre. F&uuml;r die Gruppe der &auml;lteren Patienten konnte man daher bisher nur wenige Aussagen treffen. Da jedoch ann&auml;hernd die H&auml;lfte der neu diagnostizierten Gliblastome bei Patienten &uuml;ber 65 Jahre auftritt, schloss die Studie von Perry et al eine wesentliche L&uuml;cke. F&uuml;r diese Patientengruppe zeigten die Daten aus der Perry-Studie nun, dass die kombinierte Radiochemotherapie, also drei Wochen Bestrahlung und konkomitante Temozolomid-Therapie, die &Uuml;berlebenszeit deutlich verl&auml;ngert. Dieser Benefit war sowohl beim progressionsfreien als auch beim Gesamt&uuml;berleben zu beobachten, und zwar insbesondere bei denjenigen Patienten, die einen methylierten MGMT-Promotor aufweisen (etwa 40 % ). Diesen Patienten sollte auf jeden Fall eine Chemotherapie zus&auml;tzlich zur Bestrahlung angeboten werden. Bei der Gruppe der unmethylierten Patienten ist dies sicherlich ein Diskussionspunkt.<br /> <br /><strong> Gibt es Ans&auml;tze, die Therapie des Glioblastoms zu individualisieren, z.B. durch Biomarker?</strong><br /> <br /> <strong>M. Preusser:</strong> Dazu wurde nicht allzu viel am diesj&auml;hrigen ASCO-Kongress pr&auml;sentiert. Ein viel relevanteres Thema war die Immuntherapie, die, wie auch bei vielen anderen Tumorentit&auml;ten, beim Glioblastom n&auml;her untersucht wird. Derzeit laufen einige gro&szlig;e Phase-II- und -III-Studien beim neu diagnostizierten Glioblastom mit Immuntherapeutika, an denen auch zwei Zentren aus &Ouml;sterreich (Linz und Wien) beteiligt sind. Au&szlig;erdem erwarten wir bald die Daten einer Phase-III-Studie beim rezidivierten Glioblastom mit einem PD-1-Inhibitor.<br /> <br /><strong> Was ist Ihre Hypothese? Wird sich die Immuntherapie beim Glioblastom etablieren k&ouml;nnen?</strong><br /> <br /> <strong>M. Preusser:</strong> Das l&auml;sst sich zum gegenw&auml;rtigen Zeitpunkt noch nicht sagen. Die Rationale f&uuml;r diese Therapie ist gut, zumal das Glioblastom bekannterma&szlig;en ein immunsuppressiver Tumor ist. PD-L1 wird bei vielen Glioblastomen exprimiert, und es gibt Fallberichte, denen nach Patienten auf die Immuntherapie angesprochen haben. Die Erwartungshaltung ist somit hoch.<br /> <br /><strong> In der Behandlung von Hirnmetastasen scheint die Immuntherapie ebenfalls erfolgreich zu sein. Welche Pr&auml;sentationen waren hierzu am ASCO relevant?</strong><br /> <br /> <strong>M. Preusser:</strong> Hierzu gab es beim diesj&auml;hrigen ASCO Annual Meeting retrospektive Analysen aus Studien, die Immuntherapien angewendet hatten, und zwar sowohl beim Melanom als auch beim Bronchuskarzinom. Die Patienten mit NSCLC hatten keine spezifischen Nebenwirkungen oder Autoimmunph&auml;nomene unter der Immuntherapie aufgewiesen. Au&szlig;erdem wurden intrakranielle Responses gesehen, zum Teil sogar Komplettresponses, aber auch partielle Remissionen. Das zeigt, dass bei Patienten mit Hirnmetastasen durchaus Immuntherapien erwogen werden sollten.<br /> <br /> <strong>Wie differenziert wird die Glioblastomtherapie letztendlich ausfallen? Die Immuntherapie per se ist ja ein Ansatz mit wenig Differenzierung, wohingegen die Krebstherapie immer individualisierter wird. Wie sehen Sie dieses Spannungsfeld?</strong><br /> <br /> <strong>M. Preusser:</strong> Au&szlig;er dem MGMT-Promotormethylierungsstatus gibt es beim Glioblastom derzeit kaum angehbare genetische Ver&auml;nderungen, daher ist die Individualisierungsm&ouml;glichkeit der Therapie bei dieser Indikation noch nicht so gro&szlig;. Inwieweit Biomarker wichtig sein k&ouml;nnten f&uuml;r die Immuntherapie beim Glioblastom, muss in klinischen Studien untersucht werden. Es k&ouml;nnte beispielsweise sein, dass Patienten, die eine hohe Mutationslast haben oder PD-L1-exprimierende Glioblastome, besser mit Immuntherapie behandelbar sind.<br /> <br /><strong> Welche Pr&auml;sentationen oder Poster aus dem Bereich der Neuroonkologie waren dar&uuml;ber hinaus aus Ihrer Sicht beim ASCO Annual Meeting relevant?</strong><br /> <br /> <strong>M. Preusser:</strong> Seit Einf&uuml;hrung der Temozolomid-basierten Radiotherapie beim Glioblastom wurde dar&uuml;ber diskutiert, ob die kombinierte oder die additive Temozolomid-Gabe der entscheidende Faktor in der Behandlung ist. Diese Frage wurde in der CATNON-Studie (Concomitant and Adjuvant Temozolomide in NON-codeleted anaplastic glioma) bei WHO-Grad-III-Gliomen adressiert.<sup>3</sup> Anaplastische Gliome ohne Kodeletion der Chromosomen 1p/19q gelten als weniger empfindlich gegen&uuml;ber einer alkylierenden Chemotherapie. Beide Fragen wurden mithilfe eines vierarmigen Studiendesigns (2x2-Design) untersucht (Abb. 1). Aufgrund der Seltenheit der Erkrankung bedurfte es eines internationalen Zusammenschlusses von mehreren neuroonkologischen Gruppen, um eine ausreichende Patientenzahl in angemessener Zeit zu rekrutieren. Zwei Fragen sollen beantwortet werden:</p> <ol> <li>Was ist der Nutzen einer kombinierten Radiochemotherapie (54,9Gy/33 Fraktionen) mit Temozolomid (75mg/m<sup>2</sup> t&auml;glich) im Vergleich zur alleinigen Radiotherapie?</li> <li>Besteht ein Vorteil einer additiven Temozolomid-Therapie (12 Zyklen; d1&ndash;5 q28) im Vergleich zu keiner Systemtherapie nach Radiotherapie?</li> </ol> <p><img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Jatros_Onko_1604_Weblinks_Seite93.jpg" alt="" width="" height="" /></p> <p>Am ASCO-Kongress wurden die Daten nach einer geplanten Interimsanalyse (41 % der Ereignisse, mediane Beobachtungszeit 27 Monate) nur zur zweiten Frage pr&auml;sentiert. Die Studie hatte zum Zeitpunkt der Zwischenanalyse bereits alle Patienten (n=748) rekrutiert. Beim prim&auml;ren Endpunkt mOS war die additive Temozolomid-Gabe versus keine zus&auml;tzliche Therapie statistisch signifikant &uuml;berlegen (41,1 Monate versus &bdquo;nicht erreicht&ldquo;; HR: 0,645; 99 % CI: 0,45&ndash;0,926; p=0,0014). Die 5-Jahres-&Uuml;berlebensrate betrug ohne additive Therapie 44,1 % und mit einer erg&auml;nzenden Temozolomid-Therapie 55,9 % . Somit konnte f&uuml;r die 1p/19q-kodeletierten Gliome der Nutzen einer additiven Temozolomid-Gabe nach einer Strahlentherapie belegt werden und sollte in die Prim&auml;rbehandlung als neuer Therapiestandard Einzug halten. Es bleibt abzuwarten, ob bei diesen Tumoren auch die bereits an manchen Zentren praktizierte, konkomitante Temozolomid-Gabe w&auml;hrend der Bestrahlung ebenfalls von Nutzen ist.<br /> <br /><strong> Welches sind die Fragen und Herausforderungen, denen wir uns als N&auml;chstes stellen m&uuml;ssen?</strong><br /> <br /> <strong>M. Preusser:</strong> Wie schon erw&auml;hnt, hat es oberste Priorit&auml;t, den Stellenwert der Immuntherapie f&uuml;r das Glioblastom herauszufinden. Des Weiteren werden die Etablierung und Anwendung der molekularen Analytik in der klinischen Praxis eine Herausforderung der nahen Zukunft sein. Wir haben ja eine neue WHO-Klassifikation, die zum ersten Mal nicht nur auf histologischen Kriterien beruht, sondern auch die molekulare Diagnostik stark ber&uuml;cksichtigt. Das ist nat&uuml;rlich eine Herausforderung f&uuml;r viele Zentren, da man daf&uuml;r eine hoch entwickelte molekulare Analytik ben&ouml;tigt.<br /> <br /><strong> Vielen Dank f&uuml;r das Gespr&auml;ch!</strong></p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Perry JR et al: A phase III randomized controlled trial of short-course radiotherapy with or without conco&shy;mitant and adjuvant temozolomide in elderly patients with glioblastoma (CCTG CE.6, EORTC 26062-22061, TROG 08.02, NCT00482677). J Clin Oncol 2016; 34(suppl; abstr LBA2)<br /><strong>2</strong> Stupp R et al: Radiotherapy plus concomitant and adjuvant temozolomide for glioblastoma. N Engl J Med 2005; 352: 987-96<br /><strong>3</strong> Van Den Bent MJ et al: Results of the interim analysis of the EORTC randomized phase III CATNON trial on concurrent and adjuvant temozolomide in anaplastic glioma without 1p/19q co-deletion: an Intergroup trial. J Clin Oncol 2016; 34(suppl; abstr LBA2000)<br /><br /></p> </div> </p>
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