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Myelodysplastische Syndrome

Aktuelle Studienergebnisse für eine bessere Therapie

<p class="article-intro">In diesem Jahr wurden beim EHA-Kongress in Kopenhagen interessante größere Studien zu myelodysplastischen Syndromen (MDS) präsentiert. Ihre Ergebnisse könnten sich einerseits direkt auf die Arbeit in der Praxis auswirken, andererseits einen Ausblick auf in Zukunft mögliche Therapien geben. Auch zur Biologie gab es interessante Präsentationen mit klinischen Implikationen.</p> <hr /> <p class="article-content"><h2>Neue Erkenntnisse zur Biologie</h2> <p>Hinsichtlich Pathophysiologie, Diagnostik und Klinik haben AML und MDS vieles gemeinsam. Allerdings wird die Grenze von 20 % bei der Blastenzellanzahl im Knochenmark zunehmend als willk&uuml;rlich angesehen. Obwohl die &Auml;nderungen im aktuellen Update der WHO-Klassifikation eher konservativ ausgefallen sind, wird die Biologie, speziell die Genetik einzelner Erkrankungsformen, in Zukunft eine immer gr&ouml;&szlig;ere Rolle spielen. Im Rahmen der wissenschaftlichen Sitzung &bdquo;AML versus MDS&ldquo; machten sich die Referenten f&uuml;r die weitere Entwicklung biologisch definierter Entit&auml;ten stark. Bei MDS sind die Krankheitsbilder mit <em>SF3B1</em>-Mutation die n&auml;chsten Kandidaten, da deren prognostische Bedeutung mittlerweile gesichert ist und sie m&ouml;glicherweise auch pr&auml;diktiv f&uuml;r bestimmte Therapiemodalit&auml;ten ist.<br /> Moderne und zunehmend leistbare genetische Untersuchungsmethoden bereiten den Weg f&uuml;r neue Erkenntnisse zur Pathophysiologie der MDS. So untersuchte eine Studie die Dynamik der klonalen Evolution bei MDS und des AML-&Uuml;bergangs. Dazu wurden 779 Patienten mit MDS oder sekund&auml;rer AML mittels &bdquo;next generation sequencing&ldquo; zum Diagnosezeitpunkt analysiert, 97 Patienten wurden zus&auml;tzlich im Verlauf untersucht. Es zeigte sich, dass bei MDS-Evolution h&auml;ufig neue dominante Klone auftreten und bisherige Subklone verdr&auml;ngen, was von wiederum neu entstehenden anderen Subklonen begleitet wird. Bei der leuk&auml;mischen Transformation kommt es jedoch zum Zugewinn neuer Mutationen ohne Eliminierung der alten Klone. Die bekannten Genver&auml;nderungen bei Hochrisiko-MDS und MDS-assoziierter AML konnten best&auml;tigt werden: Bei Hochrisiko-MDS waren sogenannte Typ-1-Mutationen (<em>FLT3, PTPN11, IDH1, CBL</em> und <em>NRB</em>) h&auml;ufiger, bei sAML Typ-2-Mutationen (<em>TP53, GATA2, RUNX1, IDH2, STAG2, ASXL1</em> und <em>NPM1</em>). Diese Beobachtungen werden in Zukunft f&uuml;r die Therapieentscheidungen sowohl bei der Progression eines MDS als auch beim &Uuml;bergang eines MDS in eine AML zu ber&uuml;cksichtigen sein. <br /> Eine weitere Studie besch&auml;ftigte sich mit dem klonalen Ursprung der therapieinduzierten myeloischen Neoplasien. Es ist bekannt, dass auch bei gesunden Personen &ndash; mit zunehmendem Alter in steigender Frequenz &ndash; eine klonale H&auml;matopoiese (CHIP) nachgewiesen werden kann. Diese geht mit einer erh&ouml;hten Inzidenz nachfolgender myeloischer Neoplasien einher. Das Vorliegen einer solchen Ver&auml;nderung k&ouml;nnte das Auftreten eines therapieinduzierten MDS beg&uuml;nstigen. In einer retrospektiven Studie wurde untersucht, ob diese Treibermutationen bereits zum Zeitpunkt der prim&auml;ren Krebsdiagnose vor Beginn der Chemo-/Radiotherapie nachweisbar sind. Dies konnte bei einem Teil der Patienten gezeigt werden. Daher soll nun ein Risikomodell basierend auf der Anwesenheit von CHIP entwickelt werden. Zudem sollte man alternative Therapiekonzepte f&uuml;r betroffene Patienten in Erw&auml;gung ziehen.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Jatros_Onko_1604_Weblinks_Seite59.jpg" alt="" width="379" height="504" /></p> <h2>Aktuelle klinische Studien</h2> <p>Phase-II-Studien belegen Erythropoietin als eine Standardtherapie f&uuml;r an&auml;mische Patienten mit Niedrigrisiko-MDS. Ziel der Behandlung ist es, den Transfusionsbedarf zu reduzieren sowie die an&auml;miebedingte Symptomatik zu verbessern. Etablierte pr&auml;diktive Faktoren (Transfusionsfrequenz und endogener Erythropoietinspiegel) definieren die Gruppe der Patienten, die erwartungsgem&auml;&szlig; auf die Behandlung ansprechen. W&auml;hrend durch nationale Guidelines in vielen L&auml;ndern eine Erythropoietintherapie m&ouml;glich ist, bleibt der Zugang zur Substanz in manchen L&auml;ndern mangels Zulassung schwierig. Am EHA wurden zu diesem Thema zwei abgeschlossene Phase-III-Studien pr&auml;sentiert. Die Konzepte waren &auml;hnlich: Es erfolgte eine 2:1-Randomisierung gegen Placebo, Studienpopulation waren Patienten mit Niedrigrisiko-MDS, einem Ausgangsh&auml;moglobin von &le;10g/dl, niedriger Transfusionsbelastung und niedrigem endogenem Erythropoietinspiegel &le;500mU/ml. Die eine Studie wurde mit Darbepoetin alfa alle 3 Wochen, die andere mit Epoetin alfa w&ouml;chentlich durchgef&uuml;hrt. Beide Studien erreichten ihren Endpunkt: die Wirksamkeit im Sinne einer Reduktion von Transfusionen sowie der Verbesserung des H&auml;moglobinwerts (HI-E) (Abb. 1). Damit best&auml;tigten sie die Daten aus den Phase-II-Studien. Es wurden keine neuen Sicherheitssignale verzeichnet. Bemerkenswert ist jedoch, dass bei der Auflistung unerw&uuml;nschter Ereignisse im Verumarm Fatigue &ge;5 % beobachtet wurde.<br /> Sehr vielversprechend sind auch die am EHA pr&auml;sentierten Daten aus dem Update der laufenden Studie mit Luspatercept f&uuml;r Patienten, die prim&auml;r oder sekund&auml;r Erythropoietin-refrakt&auml;r sind, oder solche mit hohem Transfusionsbedarf. Die bei MDS reifungsgest&ouml;rte Erythropoiese ist zwar besonders unter Stimulation mit Erythropoietin hyperplastisch. Die Zellen reifen jedoch durch die &uuml;berm&auml;&szlig;ige Aktivit&auml;t von Smad2/3-mediierten Inhibitoren nicht aus, was schlie&szlig;lich zur An&auml;mie f&uuml;hrt. Die subkutane Injektion von Luspatercept wirkt hier, einfach ausgedr&uuml;ckt, als Inhibitor dieser Inhibitoren. Am EHA wurde von der Verl&auml;ngerungsstudie &uuml;ber eine Behandlungsdauer von weiteren 24 Monaten bei mittlerweile 32 Patienten berichtet. Bei hoher Transfusionslast erzielten 68 % ein HI-E nach IWG-Kriterien, 79 % waren Responder definiert als Reduktion &ge;4 Einheiten/Monat. 42 % wurden transfusionsunabh&auml;ngig mit einer Ansprechdauer bis zu 50+ Wochen. Im Einklang mit dem Wirkmechanismus sprechen auch Patienten mit einem Epospiegel &uuml;ber 500mU/ml an. Da inzwischen auch bekannt ist, dass Patienten mit Ringsideroblasten und/oder SF1B3-Mutation m&ouml;glicherweise besser ansprechen, waren diese in der Studie &uuml;berrepr&auml;sentiert. Man darf auf die Ergebnisse der eben angelaufenen zulassungsrelevanten randomisierten Phase-III-Studie gespannt sein.<br /> Der Thrombopoietinrezeptoragonist Eltrombopag wird weiterhin bei MDS untersucht. Derzeit laufen mehrere Studien dazu und Teilergebnisse wurden bereits bei verschiedenen Meetings vorgestellt. Am EHA 2016 wurde &uuml;ber eine internationale Multicenterstudie im Setting der Grad-4-Thrombozytopenie (Thrombozyten &lt;25 G/l) bei Hochrisiko-MDS und AML berichtet. Die Substanz wurde zun&auml;chst &uuml;ber einen Zeitraum von 12 Wochen unter Dosissteigerung von 50&ndash;300mg t&auml;glich je nach Bedarf und Ansprechen randomisiert gegen Placebo verabreicht. Dabei erfolgte abgesehen von &bdquo;best supportive care&ldquo; keine andere kausale Therapie der Grundkrankheit. Dies war erst nach Studienende erlaubt. Hintergrund war die Frage nach einem grundlegenden positiven Effekt auf die gesamte Grundkrankheit. Dieser wurde jedoch nicht gesehen. Ein positiver Effekt in der Reduktion thrombozytopeniebedingter Ereignisse wurde wie erwartet beobachtet. Dar&uuml;ber hinaus unterschieden sich die Ergebnisse beim Ansprechen und Gesamt&uuml;berleben gegen&uuml;ber Placebo nicht. <br /> Die orale Formulierung von Azacytidin wird als Basistherapie bei Niedrig&shy;risiko-MDS und als Erhaltungstherapie bei AML in zwei Phase-III-Studien untersucht, die aber noch nicht ausgewertet sind. Am EHA wurden gepoolte Ergebnisse aus Phase-II-Studien bei MDS in Hinblick auf die Ergebnisse in Abh&auml;ngigkeit von den Ausgangsthrombozytenzahlen (Cut-off-Wert 75G/l) diskutiert. Orales Azacytidin wurde gut toleriert, Blutungen waren selten. Die Gruppe mit initial h&ouml;heren Thrombozytenwerten hatte eine h&ouml;here Responserate in allen Formen des &bdquo;hematologic improvement&ldquo;, die andere eine h&ouml;here Rate an kompletten Remissionen. <br /> &Uuml;ber die Bedeutung der MDS f&uuml;r die Patienten und den Einfluss auf F&auml;higkeiten und Lebensqualit&auml;t gab eine Auswertung aus dem ELN-Register Auskunft. Dabei wurden 1.690 MDS-Patienten aus dem Register mit einer Referenzpopulation verglichen. Beobachtete Defizite in Einzelparametern waren Mobilit&auml;t, Aktivit&auml;t, Depression, in der Multivariatanalyse waren patientenbezogen Alter (&gt;75) und Geschlecht (weiblich) signifikante Parameter f&uuml;r schlechtere Lebensqualit&auml;t. Von den krankheitsbezogenen Faktoren waren interessanterweise nur die An&auml;mie und der H&auml;moglobinwert relevant, nicht jedoch das Stadium (durch die Prognosescores repr&auml;sentiert).</p> <div id="fazit"> <h2>Fazit</h2> <p>Auch bei diesem EHA-Kongress wurden relevante Fortschritte auf dem Gebiet MDS vorgestellt. Zudem wurden zahlreiche kleine Studien, auch mit neuen Substanzen, pr&auml;sentiert, deren Erw&auml;hnung den Rahmen sprengen w&uuml;rde. Sie weisen jedoch den Weg, wie MDS-Patienten in Zukunft betreut werden k&ouml;nnen.</p> </div></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p>Literatur beim Verfasser<br /><br /></p> </div> </p>
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