© sanjeri E+

Komplikationsmanagement bei älteren RCC-Patienten

<p class="article-intro"> Die radikale bzw. partielle Nephrektomie ist der aktuelle Goldstandard in der Therapie für Patienten mit lokalisiertem oder lokal fortgeschrittenem Nierenzellkarzinom (RCC, „renal cell carcinoma“). Trotz aller technischen Fortschritte treten jedoch nach wie vor bei ca. einem Drittel der Patienten und insbesondere bei geriatrischen Patienten intra- oder postoperative Komplikationen auf, die das Überleben bzw. die mittel- und langfristige Lebensqualität der Patienten entscheidend beeinflussen können. Im folgenden Artikel soll auf die Spezifität geriatrischer Patienten in der Nierentumorchirurgie, die individuelle therapeutische Entscheidungsfindung und ein mögliches perioperatives geriatrisches Komplikationsmanagement eingegangen werden. </p> <p class="article-content"> <div id="keypoints"> <h2>Key Points</h2> <ul> <li>Bei &auml;lteren RCC-Patienten besteht oftmals das Risiko einer &Uuml;bertherapie und es kann eine betr&auml;chtliche Tumorheterogenit&auml;t mit teilweise h&ouml;herer Aggressivit&auml;t auch kleiner Nierentumoren vorliegen.</li> <li>Die klinische Entscheidungsfindung sollte durch ad&auml;quate Patientenselektion und anhand eines objektiven Risikoassessments erfolgen, welches das (biologische) Alter, den funktionellen Status, Komorbidit&auml;ten und die verbleibende Lebenserwartung ber&uuml;cksichtigt (geriatrisches Assessment).</li> <li>Werden &auml;ltere Patienten mit vergleichsweise h&ouml;herem Risiko f&uuml;r Komplikationen und deren langfristige Folgen operiert, so sollte der NSS der Vorrang gegeben werden und eine sorgf&auml;ltige pr&auml;operative Planung erfolgen.</li> <li>Neben den chirurgischen Komplikationen sollten spezifisch geriatrische Komplikationen durch ein individuelles, pr&auml;operativ festgelegtes und intra- und postoperativ interdisziplin&auml;r umgesetztes Management vermieden werden.</li> <li>Die &uuml;berwiegende Zahl der RCC-Studien und damit die den Leitlinien und Therapiealgorithmen zugrunde liegenden Daten fussen auf Daten von Patienten im typischen Diagnosealter zwischen 60 und 70 Jahren.</li> </ul> </div> <p>Der &uuml;berwiegende Teil der RCC-Patienten ist zum Zeitpunkt der Diagnose &auml;lter als 60 Jahre. Immer &ouml;fter beraten wir zudem RCC-Patienten mit inzidenteller Diagnose, die bereits das 80. Lebensjahr &uuml;berschritten haben. Eine deutliche Zunahme der Anwendung von CT und MRI (sowie die fl&auml;chendeckende Nutzung der Ultraschalldiagnostik) in den letzten 20 Jahren hat zu einer stetigen Zunahme an inzidentell diagnostizierten sog. &bdquo;small renal masses&ldquo; (SRM) gef&uuml;hrt, die zu einem betr&auml;chtlichen Anteil benigne sind bzw. sehr langsam wachsen und ein geringes Metastasierungspotenzial aufweisen. Unter Ber&uuml;cksichtigung der aktuellen Lebenserwartung dieser Patienten stehen wir Urologen immer &ouml;fter vor der Herausforderung, zu entscheiden, wie wir diese Patienten hinsichtlich der richtigen Therapie beraten sollen. Ist die radikale Nephrektomie (RN) oder eine nierenerhaltende Operation (NSS, &bdquo;nephron-sparing surgery&ldquo;; offen, laparoskopisch oder robotisch assistiert), sind ablative Therapien oder die aktive Surveillance (AS) die beste Option, um der noch bestehenden quantitativen und qualitativen Lebenserwartung der Patienten gerecht zu werden? Einerseits besteht dabei sicher das Risiko einer &Uuml;bertherapie dieser Patienten, andererseits erhalten alte Patienten teilweise unter alleiniger Ber&uuml;cksichtigung ihres kalendarischen Alters und aus Angst vor Komplikationen keine aktive Therapie, obwohl diese ggf. von Vorteil w&auml;re. Dem gegen&uuml;ber steht ausserdem die zunehmende Evidenz, dass &auml;ltere Patienten m&ouml;glicherweise unter aggressiveren Tumoren leiden und eine geringere krebsspezifische &Uuml;berlebensrate (CSS; &bdquo;cancer-specific survival&ldquo;) als junge Patienten haben. <img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Leading Opinions_Onko_1603_Weblinks_Seite59.jpg" alt="" width="" height="" /></p> <p>In einer aktuellen Studie an 12&thinsp;&thinsp;618 RCC-Patienten (MediCare-Daten), die zwischen 1995 und 2005 operiert wurden, erlitten ca. 37 % der Patienten mindestens eine postoperative Komplikation.<sup>1</sup> Zudem waren die Patienten, bei denen Komplikationen auftraten, generell &auml;lter, &uuml;berwiegend m&auml;nnlich und komorbide und hatten eine offene (versus laparoskopische) Operation erhalten. W&auml;hrend eines mittleren Follow-up von 32 Monaten verstarben 37,1 % der Patienten. Bei Patienten mit mindestens einer Komplikation ergab sich eine signifikant geringere 5-Jahres-Gesamt&uuml;berlebens-Rate (59,9 % ) gegen&uuml;ber den Patienten ohne Komplikationen (69,5 % ). Diese Assoziation blieb nach Adjustierung nach Patientencharakteristika, Tumorstadien und chirurgischem Vorgehen weiterhin bestehen. Das Auftreten von Komplikationen war unabh&auml;ngig assoziiert mit einer Verk&uuml;rzung des Langzeit&uuml;berlebens, dem Auftreten von Herzinsuffizienz, akutem und chronischem Nierenversagen, kardialen und neurologischen Komplikationen sowie postoperativen Infekten. <br />Daten wie diese zeigen deutlich, dass wir unsere Therapieentscheidungen insbesondere bei alten RCC-Patienten unter Ber&uuml;cksichtigung des bestehenden Komplikationsrisikos treffen und ein geeignetes Komplikationsmanagement zur Hand haben sollten. Ber&uuml;cksichtigt man zudem das gleichzeitig h&ouml;here Komplikationsrisiko &auml;lterer und komorbider Patienten, so sind eine klare Strategie und spezielle &Uuml;berlegungen notwendig, um zu einer bestm&ouml;glichen Therapieentscheidung und zu einem optimalen Therapiemanagement bei diesen Patienten zu gelangen. Letztendlich sind f&uuml;r uns Urologen im Hinblick auf ein ad&auml;quates Therapie- und Komplikationsmanagement &auml;lterer RCC-Patienten die folgenden Fragen relevant:</p> <ul> <li>Ben&ouml;tigen &auml;ltere RCC-Patienten eine aktive Therapie (RN, NSS, ablative Therapie) oder nicht (aktive &Uuml;berwachung, &bdquo;watchful waiting&ldquo;)?</li> <li>Wenn ja, welches ist die beste Option f&uuml;r den individuellen &auml;lteren Patienten?</li> <li>Besteht f&uuml;r den individuellen &auml;lteren Patienten ein erh&ouml;htes Komplikationsrisiko? Ist das Risiko abh&auml;ngig von der Art der Therapie? Wie k&ouml;nnen wir das Komplikationsrisiko verringern?</li> </ul> <h2>Option 1: Vermeidung aktiver Therapie bei &auml;lteren RCC-Patienten</h2> <p>Eine M&ouml;glichkeit der Umgehung von Komplikationen einer operativen Therapie best&uuml;nde einfach darin, eine aktive Behandlungsstrategie zu vermeiden. Insbesondere unter Ber&uuml;cksichtigung der Tatsache, dass &auml;ltere Patienten ein erh&ouml;htes Risiko haben, an konkurrierenden Ursachen zu sterben, verdient diese &Uuml;berlegung, beachtet zu werden. Gem&auml;ss aktueller Evidenz haben lediglich ca. 20 % der Nierentumoren mit einer Gr&ouml;sse bis zu 7cm potenziell aggressive Eigenschaften und neigen zu raschem lokalem Wachstum und/oder einer Metastasierung. Aus Obduktionsstudien ist zudem bekannt, dass ca. 1,2 % der Patienten, die nicht an einem Nierentumor gestorben sind, dennoch einen Tumor aufweisen, ohne dass jemals eine Therapie notwendig geworden ist. Aus weiteren Studien wissen wir, dass ca. 28 % der Patienten mit inzidentellem cT1-RCC und einem Alter &gt;75 Jahre aus anderen Ursachen als dem Nierentumor sterben.<sup>2</sup> In rezenten AS-Studien war eine lokale Progression unter aktiver Beobachtung bei 12&ndash;35 % und eine Fernmetastasierung bei 1 % der Patienten festzustellen.<sup>3&ndash;5</sup> Eine weitere Analyse, die anhand von US-amerikanischen Medicare-Daten durchgef&uuml;hrt wurde, zeigte ausserdem, dass &auml;ltere Patienten mit kleinen Nierentumoren ein deutlich geringeres Risiko hatten, innerhalb der n&auml;chsten f&uuml;nf Jahre zu versterben, als Patienten, die prim&auml;r operativ therapiert wurden (24 % vs. 13 % ). W&auml;hrend in beiden Gruppen jeweils 3 % infolge des Tumors starben, hatten chirurgisch therapierte Patienten im weiteren Verlauf ein doppelt so hohes Risiko f&uuml;r kardiale Morbidit&auml;t und Tod aufgrund anderer Ursachen.<sup>6</sup> Daten wie diese deuten auf das deutliche Risiko einer &Uuml;bertherapie mit den entsprechend daraus resultierenden Komplikationen hin. <br />Ber&uuml;cksichtigen wir jedoch die steigende Lebenserwartung, insbesondere der &auml;lteren Patienten in den USA und in Westeuropa, ist die Schlussfolgerung, dass bei diesen Patienten eine Therapie absolut zu vermeiden ist, nicht mehr zul&auml;ssig und schl&uuml;ssig. Daten des Robert-Koch-Instituts in Deutschland aus dem Jahr 2012 zeigen, dass eine 80-j&auml;hrige Frau eine verbleibende Lebenserwartung von durchschnittlich 9,1 Jahren und ein 80-j&auml;hriger Mann eine solche von durchschnittlich 7,8 Jahren hat, sodass die Frage nach der bestm&ouml;glichen Therapie auch bei Patienten in diesem Alter unver&auml;ndert bestehen bleibt.<sup>7</sup> Zudem scheint trotz zunehmender Detektion in fr&uuml;heren Stadien bei alten RCC-Patienten die krebsspezifische Mortalit&auml;t (&bdquo;cancer-specific mortality&ldquo;; CSM) st&auml;rker mit dem Tumorstadium korreliert zu sein als bei jungen Patienten. Dennoch haben &auml;ltere Patienten ein h&ouml;heres Risiko, dass ihnen eine aktive bzw. operativ kurative Therapie aufgrund ihres Alters (und evtl. aufgrund zus&auml;tzlich bestehender Komorbidit&auml;ten) nicht empfohlen wird. Das heisst letztendlich, dass bei alten RCC-Patienten nicht nur ein betr&auml;chtliches Risiko der &Uuml;bertherapie, sondern auch der Untertherapie besteht. <br />Unsere eigenen Daten aus der CORONA-Datenbank best&auml;tigen die unabh&auml;ngig erh&ouml;hte CSM ebenso wie die Sterblichkeit infolge konkurrierender Risiken (&bdquo;other cause mortality&ldquo;; OCM).<sup>8</sup> Retrospektiv wurden die Daten von 6234 RCC-Patienten nach operativer Therapie (RN oder NSS) f&uuml;r die Endpunkte CSM and OCM analysiert. In der gesamten Studienkohorte fanden sich 241 Patienten &uuml;ber 80 Jahre (3,9 % ). Diese wurden hinsichtlich der Studienendpunkte mit 2275 Referenzpatienten im Alter zwischen 60 und 70 Jahren (36,5 % ) verglichen. Multivariable sog. &bdquo;Competing risk&ldquo;-Modelle wurden f&uuml;r beide Endpunkte unter Anwendung einer Instrumental-Variable gebildet, um ein residuelles &bdquo;confounding&ldquo; aufgrund von fehlenden Daten zur Komorbidit&auml;t zu reduzieren. In den Kaplan-Meier-Analysen zeigte sich, dass alte RCC-Patienten ein signifikant reduziertes Gesamt&uuml;berleben und ein marginal reduziertes CSS im Vergleich zur Altersgruppe der 60- bis 70-J&auml;hrigen aufweisen (Abb. 1). In der f&uuml;r weitere klinische und pathologische Kriterien adjustierten multivariablen Analyse zeigte sich ein unabh&auml;ngiger, signifikanter Einfluss des Lebensalters auf beide Endpunkte. Mit einer Hazard-Ratio (HR) von 1,48 f&uuml;r das CSS bedeutet dies, dass sich neben der Gesamtsterblichkeit auch die krebsspezifische Mortalit&auml;t mit jedem Lebensjahr um mehr als 10 % steigert (Tab. 1). <br />Als Schlussfolgerung muss die &Uuml;berlegung angestellt werden, welche Ursachen hinter diesen Ergebnissen stecken. Ist die erh&ouml;hte krebsspezifische Sterblichkeit tats&auml;chlich durch eine differente und h&ouml;here Tumoraggressivit&auml;t bedingt, die wir bei &auml;lteren RCC-Patienten finden? Oder ist sie die Folge dessen, dass bei diesen Patienten im Falle eines Rezidivs im weiteren Verlauf die Therapie reduziert wird, wenn das Lebensalter evtl. ein weiterer zus&auml;tzlicher Faktor ist, der eine effektive chirurgische oder vielmehr noch eine medikament&ouml;se Therapie im metastasierten Setting verhindert? <br />Auch in einer Arbeit von Sun et al aus dem Jahr 2011 wurde anhand einer &bdquo;Competing risk&ldquo;-Analyse der SEER-Datenbank in einem Stadien- und Grad-adaptierten Modell gezeigt, dass h&ouml;heres Alter auch nach Adjustierung nach Ethnie, Tumorgr&ouml;sse, histologischem Grad, Stadium, Therapie und Gesamtsterblichkeit mit einer gesteigerten CSM assoziiert ist.<sup>9</sup> Dieser Effekt war am gr&ouml;ssten bei Patienten &uuml;ber 80 Jahre mit niedriggradigen Tumoren im Stadium I (T1 N0 M0), weswegen die Autoren schlussfolgerten, dass insbesondere bei diesen Patienten eine aggressivere Therapie notwendig ist. <img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Leading Opinions_Onko_1603_Weblinks_Seite60.jpg" alt="" width="" height="" /></p> <h2>Option 2: individuell beste Behandlungsoption finden</h2> <p>Wir sehen anhand derartiger Daten, dass nicht die Vermeidung einer aktiven Therapie &auml;lterer Patienten die L&ouml;sung des Dilemmas darstellt, sondern dass vielmehr eine individuelle Entscheidung unter Ber&uuml;cksichtigung patientenindividueller Faktoren (neben dem Alter) getroffen werden muss, um die bestm&ouml;gliche Therapie f&uuml;r den einzelnen Patienten zu finden. In der Realit&auml;t werden alte RCC-Patienten jedoch meistens &ndash; wenn &uuml;berhaupt aktiv therapiert &ndash; einer (laparoskopischen) RN unterzogen. Einerseits sind mit einem solchen therapeutischen Vorgehen die Vorteile einer onkologischen Radikalit&auml;t, der niedrigen therapieassoziierten Morbidit&auml;t und einer raschen Rekonvaleszenz gegeben, andererseits nehmen wir auch Nachteile in Kauf, wie z.B. den Verlust der Nierenfunktion mit dem Risiko eines chronischen Nierenversagens und die im Vergleich zu jungen Patienten h&ouml;here Mortalit&auml;t der Patienten im weiteren Verlauf. In einer Studie aus dem Jahr 2012 wurde gezeigt, dass in der klinischen Realit&auml;t das Alter signifikant und unabh&auml;ngig die Entscheidung zugunsten einer RN beeinflusst (p &lt;0,001).<sup>10</sup> Neben dem Alter hatten auch das Geschlecht (Frauen erhalten seltener eine NSS), die Ethnie, der sozio&ouml;konomische Status sowie der Beziehungsstatus einen unabh&auml;ngigen Einfluss auf diese Entscheidung. Die Entscheidung f&uuml;r oder gegen ein nierenerhaltendes Vorgehen wurde also &uuml;berwiegend nicht anhand von tumorassoziierten Faktoren getroffen, sondern durch Faktoren bestimmt, die unsere &auml;rztliche Entscheidung im Sinne des Patienten nicht beeinflussen sollten. Zus&auml;tzlich wurde gezeigt, dass nach RN sowohl die Gesamtsterblichkeit nach 2, 5 und 8 Jahren als auch die CSM signifikant erh&ouml;ht waren (Abb. 2, 3). <br />Die Durchf&uuml;hrung einer NSS bei allen alten RCC-Patienten wird jedoch keine allgemeing&uuml;ltige L&ouml;sung sein; zudem m&uuml;ssen wir die Rate an operativen Komplikationen bei NSS oder alternativen therapeutischen Verfahren ebenso ber&uuml;cksichtigen. Allgemein gehen wir davon aus, dass die NSS mit einer h&ouml;heren Komplikationsrate als die RN assoziiert ist. Ist dies jedoch tats&auml;chlich der Fall? In einer aktuell in Urology ver&ouml;ffentlichten Studie an 1092 RCC-Patienten nach RN oder NSS (OP-Zeitraum 2005&ndash;2012) zeigten Tomaszewski et al, dass es zwar eine sichere Assoziation zwischen einem erh&ouml;hten Risikostatus des Patienten (definiert durch Alter &gt;75 Jahre oder Charlson Comorbidity Index, CCI, &lt;2) und postoperativen Komplikationen gibt, aber die Art der Therapie keinen signifikanten Einfluss auf das Auftreten von postoperativen Komplikationen hatte.<sup>11</sup> In einer weiteren Studie analysierten Larcher et al Faktoren, anhand deren das Komplikationsrisiko nach NSS vorhergesagt werden kann und die damit die Entscheidung f&uuml;r eine ablative Therapie anstelle eines operativen Vorgehens triggern k&ouml;nnten.<sup>12</sup> Als Risikofaktoren wurden dabei Alter, operatives Vorgehen (NSS vs. RN), CCI und vorbestehende Nierenfunktionseinschr&auml;nkung identifiziert. Die Risikoreduktion in Bezug auf Komplikationen w&auml;re dabei am gr&ouml;ssten bei jenen Patienten, deren Risikoprofil hoch ist. Ber&uuml;cksichtigt werden muss jedoch, dass die einfache Schlussfolgerung, dass diese Patienten einer ablativen Therapie unterzogen werden sollten, ebenso nicht uneingeschr&auml;nkt g&uuml;ltig sein kann, da keine direkt vergleichbaren Daten vorliegen und zudem die Evidenz f&uuml;r die ablative Therapie bei &auml;lteren Patienten derzeit limitiert ist.</p> <h2>Option 3: Komplikationsmanagement/pr&auml;operatives Assessment</h2> <p>Wie anhand der angef&uuml;hrten Studienergebnissen gezeigt, ist die Art des therapeutischen Eingriffs bei &auml;lteren Patienten nicht unabh&auml;ngig assoziiert mit der Komplikationsrate. Zudem werden &auml;ltere Patienten trotz gegenl&auml;ufiger Evidenz weiterhin zu oft mittels RN therapiert. Dennoch muss vor einem operativen Eingriff unbedingt ber&uuml;cksichtigt werden, dass alte Patienten tats&auml;chlich ein h&ouml;heres Risiko haben, intraoperative chirurgische und postoperative Komplikationen zu erleiden. Berger et al zeigten in einer aktuellen Studie (OP-Zeitraum 2002&ndash;2011), dass die therapieassoziierte Morbidit&auml;t bei Patienten ab 80 Jahren signifikant war.<sup>13</sup> In einer weiteren Analyse von insgesamt 125&thinsp;&thinsp;516 chirurgischen Eingriffen infolge eines malignen Nierentumors traten geriatrische Komplikationen bei 5,2 % der Patienten auf, deren Auftreten signifikant unabh&auml;ngig mit h&ouml;herem Alter, Komorbidit&auml;t, niedrigerem sozialem Status und der Durchf&uuml;hrung einer offenen RN assoziiert war (p jeweils &lt;0,05). Die modelladjustierte Wahrscheinlichkeit f&uuml;r Komplikationen betrug 3,1 % f&uuml;r Patienten im Alter von 55&ndash;64 Jahren, 4,7 % f&uuml;r 65- bis 74-J&auml;hrige und 6,9 % f&uuml;r Patienten ab 75 Jahren (p &lt;0,001). Obwohl diese F&auml;lle nur selten eintraten, hatten komorbide Patienten ein mehr als vierfach erh&ouml;htes Risiko, perioperativ zu sterben (1,7 % vs. 0,4 % , p &lt;0,001). <br />Das erh&ouml;hte Risiko relevanter Komplikationen bei alten Patienten muss also unbedingt ber&uuml;cksichtigt werden, bevor eine operative Intervention angestrebt wird. Die klinische Entscheidung sollte nicht nur subjektiv und anhand des kalendarischen Patientenalters alleine getroffen werden, sondern unter Ber&uuml;cksichtigung</p> <ul> <li>objektiver tumorassoziierter Daten (erhoben z.B. mit morphometrischen Scores wie PADUA-Klassifikation, Nephrometrie-Score, c-Index)</li> <li>objektiver patientenbezogener Daten (erhoben u.a. mit geriatrischem Assessment inkl. Ber&uuml;cksichtigung des kalendarischen/biologischen Alters, der Komorbidit&auml;ten, des funktionellen Status)</li> </ul> <p>Hinsichtlich der operativen Durchf&uuml;hrung selbst gibt es keine spezifischen Aspekte, die bei alten Patienten ber&uuml;cksichtigt werden m&uuml;ssten. Letztendlich ist der operativen Sorgfaltspflicht nachzukommen, die eine sorgf&auml;ltige Pr&auml;paration des Nierenstiels vor dem Clamping und die sorgf&auml;ltige Pr&auml;paration der Nebenniere beinhaltet, des Weiteren eine sorgf&auml;ltige Adaptation des Hohlsystems bzw. Stentings zur Vermeidung einer relevanten Urinleckage und die Erw&auml;gung eines &bdquo;early unclamping&ldquo; oder eines Vorgehens ohne Clamping, um das Risiko eines Nierenfunktionsverlustes zu reduzieren. Zus&auml;tzlich sollte beachtet werden, dass das generelle Risiko des Auftretens von Komplikationen mit der Erfahrung des Operateurs abnimmt, daher sollte insbesondere bei alten Patienten ein erfahrener Operateur nach Abschluss seiner Lernkurve herangezogen werden. <br />Neben den direkten chirurgischen Komplikationen sollten weitere m&ouml;gliche spezifisch geriatrische Komplikationen in die pr&auml;operativen &Uuml;berlegungen einbezogen werden. K&uuml;rzlich wurden in Zusammenarbeit von American College of Surgeons (ACS) und ACS National Surgical Quality Improvement Program&reg; (ACS NSQIP&reg;)NSQUIP/American Geriatric Society (AGS) erstmalig Best-Practice-Leitlinien zum optimalen perioperativen Management geriatrischer Patienten ver&ouml;ffentlicht.<sup>14</sup> Die Empfehlungen adressieren sowohl das unmittelbare pr&auml;operative, intraoperative als auch das postoperative Management und inkludieren zahlreiche hilfreiche Checklisten und &bdquo;position statements&ldquo; zur aktiven Risikovermeidung. Unter anderem muss ber&uuml;cksichtigt werden, dass alte Patienten unter spezifischen Komplikationen leiden, die von denen junger Patienten differieren. H&auml;ufige geriatrische Komplikationen sind u.a. Delirium, pulmonale Komplikationen, St&uuml;rze, Mangelern&auml;hrung, Harnwegsinfekte, Funktionseinschr&auml;nkung etc. Zus&auml;tzlich sollten bei alten Patienten neben dem pr&auml;operativen Management auch die individuellen Patientenziele und -pr&auml;ferenzen ber&uuml;cksichtigt werden (nicht jeder Patient hat die Heilung als oberstes Ziel); und bereits vorab sollte eine Handlungsdirektive f&uuml;r den weiteren Verlauf entwickelt werden. Im Vordergrund steht ausserdem die Planung der pr&auml;operativen N&uuml;chternheit, der antibiotischen Prophylaxe und der Thromboseprophylaxe. Der Bereich der intraoperativen Planung inkludiert an&auml;sthesiologische Vorgehensweisen, die perioperative Analgesie, &Uuml;belkeit/Erbrechen, Patientensicherheit und Strategien im Umgang mit intra-, peri- und postoperativen Komplikationen wie Hypothermie, Fl&uuml;ssigkeitsmanagement und das Feintuning physiologischer Parameter. Postoperativ sind insbesondere Delir, Funktionsverlust und die Vermeidung pulmonaler Komplikationen, UTI (&bdquo;urinary tract infections&ldquo;) und Druckulzera zu beachten. <br />Derartige Leitlinien und Tools, wie z.B. geriatrisches Assessment, sollten in die klinische Routine integriert werden, um eine bestm&ouml;gliche individuelle Therapieentscheidung und ein ad&auml;quates peri- und postoperatives Management zu gew&auml;hrleisten. <img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Leading Opinions_Onko_1603_Weblinks_Seite61.jpg" alt="" width="" height="" /> <img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Leading Opinions_Onko_1603_Weblinks_Seite62.jpg" alt="" width="" height="" /></p> <div id="fazit"> <h2>Fazit</h2> <p>Mit einer immer &auml;lter werdenden Gesellschaft wird auch das RCC zunehmend eine Erkrankung alter Patienten, welche neben ihrer Tumorerkrankung geriatrisch-spezifische Konditionen aufweisen, die bei der Therapieentscheidung ber&uuml;cksichtigt werden m&uuml;ssen. <br />Nach ad&auml;quater pr&auml;operativer multidisziplin&auml;rer Evaluierung und entsprechender Vorbereitung kann bei den meisten &auml;lteren Patienten eine operative oder ablative Technik angewandt werden. Trotz einer h&ouml;heren perioperativen Morbidit&auml;t und Reduktion der Nierenfunktion bieten RN und NSS exzellente funktionelle und onkologische Resultate in dieser Altersgruppe. &Auml;ltere Patienten scheinen ausserdem von einer laparoskopischen Durchf&uuml;hrung hinsichtlich einer rascheren Rekonvaleszenz zu profitieren. Bez&uuml;glich der RN gilt jedoch: Das Risiko von Nebenwirkungen, wie z.B. kardiovaskul&auml;ren Erkrankungen und Niereninsuffizienz, ist relevant und h&ouml;her als bei der Durchf&uuml;hrung einer NSS. Neben der NSS sollten auch ablative (perkutane) Techniken vor allem zur Therapie kleiner Nierentumoren als Therapieoption Beachtung finden. Langzeitevidenz zu den ablativen Techniken bei alten Patienten fehlt jedoch weiterhin, weswegen eine sorgf&auml;ltige Patientenselektion anhand von Gesundheitsstatus, Patientenpr&auml;ferenz und Erfahrung im behandelnden Zentrum erfolgen sollte. <br />Aktuelle Studien zeigen, dass die meisten SRM sehr langsam wachsen und, zumindest im kurzfristigen Zeitverlauf, nur eine geringe Tendenz zum Progress zeigen. Daher sollte AS mit verz&ouml;gerter aktiver Therapieoption ebenso als eine geeignete Alternative zu invasiven Verfahren bei selektierten, insbesondere &auml;lteren und komorbiden Patienten erwogen werden, wenn die Wahrscheinlichkeit einer Metastasierung oder eines relevanten lokalen Progresses w&auml;hrend der verbleibenden Lebensspanne gering ist. Dennoch sollte die Entscheidung f&uuml;r AS nicht einfach aufgrund des Alters der Patienten getroffen werden. Bei Progress im weiteren Verlauf stellt sich besonders im noch weiter fortgeschrittenen Patientenalter erneut die schwierige Frage nach der am besten geeigneten weiterf&uuml;hrenden Therapie. <br />Um bei alten Patienten die beste individuelle Therapieentscheidung zu treffen, sollten das Risiko chirurgischer Komplikationen anhand objektiver tumorbezogener Parameter (morphometrischer Scores), die Tumorprognose und die Lebenserwartung des Patienten evaluiert werden. Im besten Fall erfolgt ein geriatrisches Assessment zur individuellen Therapieplanung und um einen individuellen Managementplan zu erstellen, der die Risiken entsprechend minimiert. <br />Soll bei &auml;lteren Patienten eine operative Therapie erfolgen, muss deren spezifische funktionelle und regenerative Kapazit&auml;t ber&uuml;cksichtigt werden sowie ein h&ouml;heres Risiko, infolge des Eingriffs zu sterben. Eine initiale Komplikation kann mit h&ouml;herer Wahrscheinlichkeit als bei jungen Patienten zu weiteren Komplikationen f&uuml;hren, ein singul&auml;res Organversagen kann im Multiorganversagen enden. Zur pr&auml;operativen Evaluation geh&ouml;ren neben der &uuml;blichen Untersuchung und Anamnese auch die Identifizierung von Systemdefiziten, die pr&auml;operativ entsprechend korrigiert werden sollten, und die Erfassung des Ern&auml;hrungs- und Mentalstatus. Speziell sollten das kardiovaskul&auml;re Risiko, Hypertension, Herzinsuffizienz, Pulmonalerkrankungen, Nierenerkrankungen, Diabetes mellitus, thromboembolische und neuropsychiatrische Erkrankungen ber&uuml;cksichtigt werden. Auch im postoperativen Management ergeben sich einige Unterschiede im Vergleich zu jungen Patienten; insbesondere muss ein ad&auml;quates Schmerzmanagement im Behandlungsplan ber&uuml;cksichtigt und vorab geplant werden. Depressionen, Angst, Fatigue und kognitive Einschr&auml;nkungen k&ouml;nnen die Schmerzwahrnehmung ver&auml;ndern; &auml;ltere Patienten, die hospitalisiert werden, verlieren zudem oft ihre soziale Unabh&auml;ngigkeit. Sowohl Assessment als auch Behandlungsplan sollten daher individualisiert erstellt und regelm&auml;ssig kontrolliert und ggf. anhand des postoperativen Verhaltens des Patienten modifiziert werden. Spezifische &Auml;nderungen und Anpassungen in der Akutpflege alter Patienten in Kliniken k&ouml;nnten die M&ouml;glichkeit dieser sehr heterogenen Gruppe verbessern, bei Entlassung selbstst&auml;ndig grundlegende Alltagsaktivit&auml;ten zu verrichten, und eine Entlassung in Pflegeheime verhindern. <br />F&uuml;r ein optimales Management geriatrischer RCC-Patienten ist neben einer individuellen, an patienten- und tumorbezogenen Faktoren orientierten Therapieentscheidung und einer sorgf&auml;ltig durchgef&uuml;hrten Therapie ausserdem ein konsequentes perioperatives interdisziplin&auml;res Management unter Einbeziehung der chirurgischen Disziplinen, der An&auml;sthesisten, Schmerzmediziner, Palliativmediziner, des Pflegepersonals und der Sozialdienste unbedingt notwendig.</p> </div> </p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur">Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Tan HJ et al: Postoperative complications and long-term survival among patients treated surgically for renal cell carcinoma. J Urol 2012; 187(1): 60-6 <br /><strong>2</strong> Lane BR et al: Active treatment of localized renal tumors may not impact overall survival in patients aged 75 years or older. Cancer 2010; 116: 3119-26 <br /><strong>3</strong> Jewett MA et al: Active surveillance of small renal masses: Progression patterns of early stage kidney cancer. Eur Urol 2011; 60(1): 39-44 <br /><strong>4</strong> Smaldone MC et al: Small renal masses progressing to metastases under active surveillance: a systematic review and pooled analysis. Cancer 2012; 118(4): 997-1006 <br /><strong>5</strong> Volpe A et al: The natural history of small renal masses. Nat Clin Pract Urol 2005; 2(8): 384-90 <br /><strong>6</strong> Huang WC et al: Surveillance for the management of small renal masses: utilization and outcomes in a population-based cohort. J Clin Oncol 2013; 31(Suppl 6): abstr 343 <br /><strong>7</strong> Robert-Koch-Institut; Sterblichkeitstabellen Deutschland 2012; <a href="http://www.rki.de/DE/Content/Gesundheitsmonitoring/Gesundheitsberichterstattung/GesundAZ/Content/S/SterblichkTodesurs/SterblichkTodesurs.html;jsessionid=1E4BB4A9E96AE24A112EC0B1EBC62BFB.2_cid290" target="_blank">http://www.rki.de/DE/Content/Gesundheitsmonitoring/Gesundheitsberichterstattung/GesundAZ/Content/S/SterblichkTodesurs/SterblichkTodesurs.html;jsessionid=1E4BB4A9E96AE24A112EC0B1EBC62BFB.2_cid290</a> <br /><strong>8</strong> May M et al: Results of a comparative study analyzing octogenarians with renal cell carcinoma in a competing risk analysis with patients in the seventh decade of life. Urol Oncol 2014; 32(8): 1252-8 <br /><strong>9</strong> Sun M et al: A stage-for-stage and grade-for-grade analysis of cancer-specific mortality rates in renal cell carcinoma according to age: a competing-risks regression analysis. Eur Urol 2011; 60(6): 1152-9 <br /><strong>10</strong> Tan HJ et al: Long-term survival following partial vs radical nephrectomy among older patients with early-stage kidney cancer. JAMA 2012; 307(15): 1629-35 <br /><strong>11</strong> Tomaszewski JJ et al: Assessing the burden of complications following surgery for clinically localized kidney cancer by age and co-morbidity status. Urology 2014; 83(4): 843-9 <br /><strong>12</strong> Larcher A et al: Prediction of complications following partial nephrectomy: implications for ablative technique candidates. Eur Urol 2016; 69(4): 676-82 <br /><strong>13</strong> Berger J et al: Detailed analysis of morbidity following nephrectomy for renal cell carcinoma in octogenarians. J Urol 2012; 188(3): 736-40 <br /><strong>14</strong> Mohanty S et al: Optimal perioperative management of the geriatric patient: a best practices guideline from the American College of Surgeons NSQIP&reg; and the American Geriatrics Society. https://www.facs.org/quality-programs/acs-nsqip/geriatric-periop-guideline</p> </div> </p>
Back to top